Kuramas Weihnachtsgeschenk

Mistoline

 

“Und, kommst du Weihnachten?” Kurama wippte mit dem Knie. Er legte den Kopf leicht schief und sah Hiei fragend an. Der Feuredämon schwieg. “Komm schon, Hiei, Yukina wird bei den Koorime bleiben, da darfst du nicht hin. Und danach wird sie Kuwabara-kun besuchen.”

“HN!” schnarrte Hiei böse.

“Entschuldigung. Ich möchte doch bloß, dass du nicht alleine in den Bäumen rumhängst.”

Hieis Blick verfinsterte sich. “Ich habe keine Ahnung von Weihnachten. Außerdem kann ich Deine Kasaan nicht leiden.”

Kurama funkelte Hiei an. “Das weiß ich.”

“Entschuldigung.” Was war das? Hiei entschuldigte sich?

“Schon gut. Ich habe dich ja auch wegen Yukina beleidigt. Also sind wir quitt. Nun, was ist? Glaub mir, es ist besser, als aller Welt dabei zuzusehen.”

Hiei nickte langsam. Natürlich war es hundert mal besser den Abend mit Kurama zu verbringen, als irgendwo anders. Besonders, wenn man kein woanders kannte. Aber Weihnachten? Was war denn Weihnachachten? Das Wort hatte er, gerade in letzter Zeit, oft gehört. Wie auch immer, vor Morgen musste er herausfinden, was ihn erwartete. Innerhalb eines Moments war Hiei verschwunden und Kurama fand sich – überraschender Weise – ganz allein auf seinem Ast.

Der Youkai führte was im Schilde, das ahnte Kurama. “So was.” Er rutschte vom Baum herunter und ging zurück ins Haus.

“Kaasan?” rief er, und steckte den Kopf zur Türe hinein.

“Shuuichi-san, du bist schon zurück?”

“Ich war nicht weg.”

Shiori war gerade dabei Plätzchen zu backen. “Kasaan,” begann er noch einmal. Er stand still in der Tür. “Hiei hat niemandem, bei dem er Weihnachten feiern könnte.” Das war tatsächlich eine traurige Feststellung.

“Du möchtest wissen, ob er hierher kommen darf, nicht wahr?”

Kurama nickte.

“Sicher. Das wird schöner sein, als zu zweit zu feiern.”

“Arigatou gozaimasu. Hast du denn keinen … Verehrer... der mit uns feiert?” Sorgsam vermied er den Blickkontakt mit Shiori, aber sie hatte über all die Jahre gelernt, ihren Sohn zu verstehen, auch ohne Worte. Sie lachte ein wenig.

“Manchmal wüsste ich schon gerne, was dein Geheimnis ist, aber mach dir keine Sorgen. Wenn es dir nichts ausmacht, werde ich am Abend zum Waisenhaus hinüber gehen. Ich denke, dort wird man sich über ein paar Geschenke mehr freuen.”

“Und über Dich, Kasaan, vergiss das nicht. … Danke.”

 

Hiei wartete inzwischen vor Kuwabaras Haus. Er saß auf einer Eiche, die mit Schnee bedeckt war, die Hände hinter den Kopf geklemmt, und starrte wie besessen auf den Hauseingang. Endlich ging die Tür auf und Yukina kam heraus. Und natürlich Kuwabara, dieser Trottel!

“Auf Wiedersehen, Yukina-san, bis morgen!” winkte er freudig und sie lief den Pfad hinunter. Hiei sprang vom Baum, landete vor dem Hauseingang und warf Kuwabara einen bitterbösen Blick zu. Das Abschieds-Gewinke Kuwabaras war damit tüchtig unterbrochen. Zumindest wagte er es in diesem Augenblick nicht, Hieis Blick zu erwidern und verschwand im Haus, während der kurze Dämon Yukina nachsetzte.

“Yukina-san,” rief er dunkel, doch nicht ohne eine gewisse Wärme in der Stimme.

“Oh! Hiei-kun!” sie strahlte, als sie sich umdrehte. “Das ist aber schön, dass du auch hier bist.”

“Hn.” Er machte einen Schritt nach vorne, und sie folgte ihm – sie verstand, dass er weiter laufen wollte. Außerdem konnte sie sehen, dass er etwas auf dem Herzen hatte.

“Hiei-kun, was ist los?” fragte sie vorsichtig.

“Weihnachten.”

“Oh… feierst du nicht mit Kurama-kun?”

“Doch.” Er verschränkte seine Arme hinter dem Rücken und stierte auf dem Boden. “Aber ich weiß nichts über Ningen-Bräuche.”

Yukina lächelte süß und stellte sich vor ihren Freund (und Bruder, was sie aber nicht wusste). “Ach, das ist süß, Hiei-kun! Du weißt nicht was Du machen sollst, stimmt’s?” bohrte sie. Er blickte zu Seite, seine strengen Blick nicht verlierend, aber Yukina kannte ihn zu gut – auch ohne zu wissen, dass sie mit ihm verwandt war.

“Ich will seiner Mutter bloß nicht komisch vorkommen.”

“Jaja, schon gut. Also, soweit wie Kuwabara-kun mir erklärt hat,” erklärte Yukina, und Hiei schnaufte, als er Kuwabaras Namen hörte, “gibt es nicht viel zu wissen. Man isst etwas, und benimmt sich dabei möglichst gut, und dann gibt und erhält man Geschenke.”

“Geschenke?” Hiei wog den Kopf hin und her, als ob er abschätzen wollte, was genau das für ihn bedeutete.

“Das bedeutet, Kurama wird dir vermutlich ein Geschenk geben, und wenn du vorbei kommst, gebe ich dir auch eins.”

“Wieso mir?”

“Man schenkt allen Leuten etwas, die man gern hat. Besonders schöne Sachen verschenkt man an diejenigen, die man besonders gern hat.”

Hiei ging wieder ein Stück weiter und Yukina folgte ihm, nachdem sie ihm ein wenig Vorsprung gelassen hatte, so dass er nachdenken konnte. Von der Seite schaute sie ihn an.

“Aber ich hasse seine Kasaan.”

Yukina runzelte die Stirn – und Hiei bedauerte im gleichen Augenblick so böse Worte gesagt zu haben, die Yukina offensichtlich zu beunruhigen schienen.

“Das hat aber nichts zu sagen, Hiei. In dem Fall bist du Gast in ihrem Haus. Du würdest sie und Kurama kränken, wenn du nicht nett zu ihr wärst.”

Das verstand Hiei. Kurama kränken, das kam auf keinen Fall in Frage – warum sonst ging er zu diesem blöden Weihnachtsfest? Ach ja… richtig… er was alleine. “Dann habe ich noch eine Frage,” stellte er schließlich fest.

“Schieß los.”

“Schießen?”

“Eine Redewendung. Sag es einfach.”

“Du bist genau wie Kurama… ihr werdet viel zu menschlich.”

“Kurama ist zum Teil Mensch. Und wir haben alle viel mit der Ningenkai zu tun. Bitte Hiei… ich glaube nicht, dass das was Schlimmes ist. Und was ist Deine Frage?”

“Was verschenke ich?”

“Normale Menschen kaufen etwas, aber das können wir beide ja nicht, denn wir haben kein Geld. Also müssen wir etwas---”

“---stehlen,” fiel Hiei ein, als sei das ein Geistesblitz.

“Nein. Selbst machen, Hiei. Stehlen macht nur Ärger und andere Leute traurig. Außerdem ist Gestohlenes kein gutes Geschenk. Es muss ja nur eine Kleinigkeit sein, Hiei, etwas das zeigt, dass du die Person magst.”

“Hn.” Einen Augenblick später war Hiei verschwunden. Yukina betrachtete die Bäume, aber von dem schwarzen Youkai war selbst in den winterweißen Bäumen keine Spur mehr zu sehen.

 

Am Weihnachtsabend saß Hiei im Baum vor Kuwabara’s Haus und wartete auf Yukina. Jemand Besonderen schenkte man etwas Besonderes, hatte sie gesagt. Dann konnte er zumindest an Yukina ausprobieren, ob er die ganze Geschichte mit dem schenken und beschenkt werden richtig verstanden hatte. Eigentlich war Hiei ja ziemlich müde, denn er hatte die ganze Nacht damit verbracht, sich Geschenke für die drei Leute zu überlegen, die er beschenken wollte oder sollte, und diese Geschenke ‘besorgt’ und bearbeitet. Beinahe wäre er eingeschlafen und hätte Yukina, die fröhlich auf das Haus zukam, übersehen. Im letzten Moment sprang er vor die Tür – wohl etwas zu hastig, denn Yukina schrie auf und sprang einen halben Meter zurück. Hiei schaute sie an, und als sie ihn erkannte, sammelte sie sich wieder.

“Hiei-sama!” Sie lächelte tatsächlich.

“Hn. Es ist Weihnachten.”

“Ja, richtig.” In dem Augenblick öffnete Kuwabara die Tür.

“YUKINA-SAN!!!” freute er sich.

“Baka…” murmelte Hiei und trat gnädig einen Schritt zur Seite, damit Kuwabara ihn nicht gleich umrannte, als er auf Yukina zustürmte. Nachdem die beiden sich begrüßt hatten, bat Kuwabara sie und Hiei hinein. Da Hiei noch ein Geschenk abzuliefern hatte, folgte er, wenn auch widerwillig.

“Yukina.”

“Ja, Hiei-sama?”

“Ich habe Kurama versprochen zu kommen. Ich bin nur hier, weil…” und da wusste er tatsächlich nicht mehr weiter – besonders weil Kuwabara mit stumpfen Blick neben Yukina stand und ihn anstarrte.

“Ja?”

“Dein Geschenk,” stotterte er.

“Du hast ein Geschenk für mich, Hiei?” sie strahlte vor Freude. Hiei nickte, sichtlich erleichtert, und zog einen Strauß blauer Vogelfedern aus seinem Umhang hervor, die er mit ein paar Flechten verknüpf hatte, so dass sie aussahen, wie die Kämme, die manche Frauen in den Haaren trugen, wenn sie besonders hübsch aussehen wollten.

Yukina nahm das Geschenk behutsam in ihre Hände. “Das ist sehr hübsch. Vielen Dank, Hiei-san!” Ihre sanften Finger glitten über den Schmuck. “Wo hast Du die vielen schönen Federn her?”

“Gesammelt. Die ganze Nacht lang,” sagte Hiei stolz. Kuwabaras Augen wurden tellergroß und er sah Hiei mit einem Erstaunen an, als habe der ‘Kurze’ ihn soeben versteinert, oder wäre drei Meter gewachsen.

“Das ist wirklich ein ganz besonderes Geschenk, danke Hiei.” Sie steckte es in ihr Haar, und der Ton der Federn ging in das sanfte Türkis ihrer Haare über. Hiei musste zugeben, dass der Schmuck an ihr wirklich gut aussah.

“Ich habe auch etwas für Dich!” Yukina griff in ihre Tasche und legte etwas Kleines und Weiches in seine Hand. Hiei starrte auf seine Handfläche.

“Yukina!” japste er, als er die schönen, blauen Strähnen, verflochten zu einem Band auf seiner Handfläche sah. Sie konnte sich doch nicht seinetwegen die Haare abschneiden!!! Kuwabara erkannte ebenfalls, was Hiei in seiner Hand hielt.

“Yukina-san! Deine schönen Haare!” krisch er entsetzt, und mache Hiei damit noch entsetzter. Sie lächelte sanft.

“Das merkt man doch gar nicht. Außerdem wachsen sie wieder.” Hiei und Kuwabara starrten sie an, die Stelle suchend, aus der sie die Strähnen genommen hatte. Ab er es war nichts zu sehen. Hiei streckte die Hand aus.

“Ich kann das nicht annehmen.”

“Bitte, Hiei. Das ist mein ganz besonderes Geschenk, und ich kann sie doch sowieso nicht wieder ankleben. Bitte, behalte sie,” bat sie. Langsam zog er seine Hand wieder zurück, immer noch perplex darüber, was sie für ihn getan hatte. Yukina nahm die Strähne in die Hand und band sie um Hieis linkes Handgelenk.

“A-arigatou,” stotterte der kleine Dämon. Kuwabara schaute leicht beleidigt.

“Ich hab’ auch was für Dich,” sagte Yukina. Plötzlich begannen seine Augen wieder zu leuchten, und Hiei war zu glücklich über sein Geschenk, als dass er hätte sauer sein können, dass Kuwabara ebenfalls beschenkt wurde. In diesem Augenblick klingelte es an der Tür. Kuwabara öffnete höflich.

“Kuwabara-kun, ich suche Hi---” die Worte blieben Kurama im Halse stecken, als er Hiei in der Eingangshalle stehen sah.

“Hey! Ich habe auf dich gewartet!” schimpfte er.

“Du hast mir nie gesagt, wann ich kommen soll!” schnaubte Hiei zurück.

“Schon, aber doch nicht kurz vor Mitternacht!!!”

“Bakana. Du übertreibst.”

“Ja, tue ich. Ich habe mir eben Sorgen gemacht. Außerdem möchte ich doch, dass Du mit uns isst,” sagte Kurama wesentlich freundlicher. Er wollte sich grundsätzlich mit niemandem streiten, schon gar nicht mit Hiei. Die vier wünschten sich Frohe Weihnachten (mehr oder weniger), und Hiei folgte dem Rothaarigen nach Hause.

“Denk dran, heute Abend bin ich Shuuichi,” ermahnte er ihn noch, bevor sie das Haus betraten.

 

Der Abend verlief ganz zu Kuramas Zufriedenheit. Irgendwann hatte er Hiei mal beigebracht mit Stäbchen zu essen, und er stellte vergnügt fest, dass Hiei so schnell nichts verlernte. Nicht, dass er sich groß mit ihm und Shiori unterhalten hätte, aber er machte zumindest einen freundlichen Eindruck. Das lag vielleicht auch daran, dass er eine heimliche Schwäche für Shioris Kochkünste hatte, obwohl er das nie zugeben würde. Als Shiori irgendwann das Radio anstellte, weil es ihr einfach zu leise war, schienen die Ohren des kleinen Youkais sich ein wenig zu spitzen. Eine Weile lang starrte er gebannt auf den kleinen, schwarzen Kasten, der seltsame Zahlen anzeigte. Kurama beobachtete das nur zu gerne, und bemerkte dabei, wie alltäglich ihm das Leben als Mensch inzwischen geworden war.

“Gefällt Dir die Musik, Hiei-sama?” fragte Shiori vorsichtig.

Hiei nickte und schaute schnell wieder auf seinen Teller.

“Shuuichi-san kann auch Musik machen,” sagte sie.

“Kasaan…” protestierte Kurama.

“Nun komm schon,” drängte Shiori, “immerhin ist Weihnachten.”

Hiei starrte seinen Freund an. Dann auf den schwarzen Kasten und wieder auf Kurama.

“Na schön, na schön!” sagte Kurama, stellte das Radio aus und setzte sich schweigend ans Klavier. Shiori faltete die Hände auf ihrem Schoß und lächelte. Hiei war jetzt allein mit ihr am Tisch, und das fand er gar nicht gut. Immerhin hatte er seine Katana im Baum gelassen, und die hätte er jetzt gerne zur Sicherheit gehabt. Shuuichi/Kurama begann ein Weihnachtslied zu spielen. Mit geschickten Fingern zauberte er Töne aus dem Klavier wie er Rosen aus seinem Haar zaubern konnte. Hiei was fasziniert. Das hatte er nicht gewusst. Das war wirklich eine Überraschung. Als Kurama sein Spiel beendet hatte, klatschte Shiori in die Hände, aber Hiei saß nur stumm da und starrte auf Kurama.

“Du hast wohl noch nie jemanden Klavier spielen sehen, hm?” lachte Kurama, als er merkte, welchen Effekt die ganze Musik auf Hiei hatte. Er hatte noch nie einen so sanften, und gleichzeitig völlig überrannten Hiei gesehen. Der Abend zahlte sich – von Kuramas aus gesehen - wirklich aus.

“Oh, schon so spät!” sagte Shiori plötzlich. “Ich kann doch nicht mitten in die Feier hineinplatzen!” Hastig räumte sie das Essen ab, wobei ihr Kurama half. Hiei schaute etwas verloren zu. Er spürte etwas unter seiner schwarzen Robe.

“Ku--- Shuuichi…” flüsterte er.

“Was ist?”

“Das Geschenk für Deine Kasaan…”

Kurama sah ihn überrascht an – immerhin hatte er Shiori darauf vorbereitet, dass Hiei keine Ahnung von Weihnachtsbräuchen hatte. Er hatte nichts von ihm erwartet. Dann lächelte er aber und wies Hiei an, ihm in die Küche zu folgen.

“Wir haben noch was vergessen,” sagte er zu seiner Mutter und schob Hiei vor sich in ihre Richtung. Hiei stand etwas steif in der Küche und reichte Shiori eine wunderschöne, rote Blume.

“Frohe Weihnachten,” sagte er schnell. Shiori nahm die Blume entgegen und betrachtete sie.

“Wunderschön, Hiei!” sagte sie fröhlich. “Wo bekommt man denn im Winter so schöne Blumen her?”

“Aus der Mak---” Kurama stach Hiei in die Seite. Seine Kasaan durfte nichts von der Makai, der Welt der Dämonen, wissen, und Hiei wusste das eigentlich. Er war bloß ein wenig verwirrt.

“Kasaan… das sind doch Feuerblumen. Sie werden von wenigen Gärtnern gezüchtet,” sagte er ernst, und versuchte nicht loszuprusten. Natürlich kannte er die Pflanze, die nur in der Welt der Dämonen zuhause war, und die in vielen Kämpfen ihren eigenen Wert hatte, und was er Shiori da erzählte, war eine eiskalte Lüge. Sie stellte die Blume ins Wasser, entschuldigte sich noch einmal, dass sie gehen musste, und ließ die beiden allein.

Als sie endlich draußen war, seufzte Hiei leicht.

“Das war wirklich sehr nett von Dir,” dankte Kurama.

“Bakana. Yukina hat gesagt, ich müsste.”

“Aber das war trotzdem ein sehr schönes Geschenk.” Kurama wies den Weg zu seinem Zimmer. Er wusste, dass Hiei lieber in Räumen war, die ihm vertraut waren, und er kannte den Rest des Hauses eigentlich nicht.

“Ich habe auch ein Geschenk für Dich, Hiei-san,” erklärte Kurama. Hiei hatte indes auf der Fensterbank Platz genommen und starrte hinaus. Ein Arm baumelte lose über seinen aufgestellten Beinen. Er und Kurama spiegelten sich im Fenster wieder. Hiei schloss für einen Moment die Augen und konzentrierte sich auf den Jagan. Er sah, wie Yukina und Kuwabara unter einem geschmückten Baum saßen und sich fröhlich unterhielten. Yukina ging es gut, das war wohl das, was zählte. Er seufzte leicht und betrachtete sein Handgelenk.

“Eifersüchtig?” fragte Kurama wissend.

“Bakana.”

Kurama nahm Hieis Hand und legte eine silberne Münze hinein. Der Youkai betrachtete sie eine Weile, ohne etwas zu sagen.

“Was ist das?”

“Das ist das Einzige, was ich mir in meinem Leben als Youko ehrlich verdient habe.. Die Fuchsmünze, so heißt sie. Sie erlaubt jedem Dämon, der sie Besitzt, Zugang zu den Höhlen und Plätzen der Fuchsdämonen. Man hat mir damals gesagt, ich solle sie nur an einen guten Freund weitergeben.”

Hiei nickte in Anerkennung. “Danke. Also bin ich Dein Freund.”

“Natürlich.” Kurama hielt einen Finger auf die Fuchsmünze. “Jetzt bist Du auch ein  Freund der Füchse.”

Er wollte die Hand wieder zurücknehmen, aber Hiei hielt sie fest.

“Ich weiß, das steht in keinem Vergleich zu Deinem Geschenk, aber es ist alles, was ich mitgebracht habe,” sagte er und ließ eine kleine, schwarze Perle in Kuramas Hand fallen. Kurama rollte die kleine, runde Kugel in seinen Fingern. Sie war pechschwarz und glänzend, sehr hübsch, und wirkte sehr edel. Allerdings konnte er sich beim besten Willen nicht erklären, was für ein Stein es war, noch woher Hiei ihn haben konnte.

“Darf ich Dich fragen, was das ist?” fragte er höflich, obwohl er wusste, auch wenn es gestohlen oder wertlos war, er würde es auf jeden Fall behalten – es war von Hiei.

“Hai. Eine Träne.”

Aber natürlich! Hiei war ja auch ein  Koorime, und die Tränen von Koorime wurden zu Perlen, so wie Yukinas. Natürlich wäre Kurama nie darauf gekommen, zum Einen, weil Hiei nur ein Halb-Koorime war und er nicht wissen konnte, dass der Teil des Feuerdämons aus den klaren Perlen der Koorime-Tränen Rußschwarze machte (oder dass Hieis Tränen überhaupt zu Perlen wurden!), zum Anderen, weil er Hiei noch nie hatte weinen sehen…

“Das ist ein wunderschönes Geschenk, Hiei. Heißt das, dass Du geweint hast?”

“Hn.”

“Ich kann mir das bloß nicht vorstellen… warum hast Du geweint?”

“Um Dir eine meiner Tränen zu schenken, natürlich. Kitsune no baka.”

Kurama hielt die Träne fest. “Du musst doch nicht für mich weinen!”

Hiei sagte nichts, sondern starrte hinaus. Ja, wirklich, er hatte für Kurama geweint. Um ehrlich zu sein, wusste er nicht, was er ihm hatte schenken können – was wertvoll genug gewesen wäre, um ein gutes Geschenk für ihn abzugeben. Und als er so da gesessen hatte, an Kurama gedacht hatte, und wie unerreichbar der Fuchs für ihn schien, und welch geringen Wert Hiei selbst ihm gegenüber hatte, kam diese eine Träne wie von selbst. Hiei wusste, er hatte diese Freundschaft mit keinem Stück verdient! Er war immer abweisend zu Kurama gewesen, hatte vorgegeben, dass er nichts von ihm hielt. Und anstatt ihn dafür zu verachten, wie es sich gebührte, hatte Kurama ihm immer wieder Freundschaft angeboten, ihn zu Weihnachten eingeladen, und ihm sogar diese bedeutungsvolle Fuchsmünze geschenkt.

In dieser einen Nacht, in der er ein Geschenk hatte aussuchen sollen, war ihm erst so richtig klar geworden, wie wertvoll Kuramas Freundschaft wirklich war. Außerdem hatte er erkannt, wie viel der Fuchs ihm bedeutete, und dass er nach allem, was er getan hatte, nicht erwarten konnte, dass Kurama ihm irgendeine Freundschaft erwies. Schon gar nicht mehr, als er schon tat.

Ein leises Klicken war zu hören, als einige schwarze Perlen von der Fensterbank auf den Boden sprangen. Kurama beugte sich leise und ruhig hinunter und hob sie auf. Er legte sie neben Hiei auf die Fensterbank. Hiei schaute verwirrt darauf hinunter, bis er endlich erkannte, was sie waren, und sich mit einer Hand verdutzt über ein Auge wischte.

“Hiei, Du musst doch nicht weinen,” wiederholte Kurama ganz ruhig und vorsichtig. Er legte seine Arme um den kleineren Dämon und umarmte ihn. Hiei legte seine Stirn auf Kuramas Schulter und wartete einfach auf irgendwas.

“Ich verdiene das alles nicht,” sagte er bitter, als er sich innerlich wieder einigermaßen beruhigt hatte.

“Ach, Unsinn!” protestierte Kurama. “Ich war über 1000 Jahre lang abweisend, bis mir jemand gezeigt hat, was es bedeutet, für einen Anderen da zu sein. Erst dann habe ich gelernt, mir selbst um Andere Sorgen zu machen und für sie da zu sein.”

“Aber ich bin niemals ‘für jemanden da’.”

“Aber Du machst Dir doch Sorgen um Yukina. Und um mich, Du hast doch sogar deswegen geweint.”

“Für Dich, aber ich habe noch nie für Yukina geweint…” stellte Hiei mit dunkler, leiser Stimme fest.

“Heißt dass, Du magst mich mehr als sie?”

“Mehr? Ich mag niemanden mehr als Yukina,” schnaufte er bitter.

“Vielleicht anders?”

“Hn.”

Unsicher umarmte Hiei jetzt auch Kurama und zog ihn fester an sich.

“Hiei?” Kurama schmunzelte etwas. “Mir kommt da gerade so eine Idee…”

“Eine Idee?!” Das war der völlig falsche Augenblick für irgendeine von Kuramas Ideen!!!

“Sag mal, kann es sein, dass Du Dich in mich verliebt hast?” sagte er fröhlich.

“Verliebt? Ich?”

“So wie Kuwabara in Yukina…”

“ICH BIN NICHT WIE KUWABARA!!!” Hiei riss sich los und schmollte, sein Blick auf den dunklen Garten gerichtet.

“Nein, bist Du nicht,” lachte Kurama, “Liebst Du mich trotzdem?”

“Bist Du verrückt geworden? Ich verliebe mich nicht.” Hiei errötete leicht, weswegen er eine Hand an die Stirn nahm, um es zu verdecken. Der Fuchs benahm sich heute wirklich seltsam!

“Aha,” sagte Kurama in ironischem Tonfall. “Das sieht aber sehr süß aus, wie Du Dich versteckst.”

“Zum Teufel, Kurama, was ist den los mit Dir?”

“Das könnte ich Dich ja fragen…”

“Du bist schließlich kein Mädchen…” warf Hiei schwach ein.

“Nein, stimmt. Ich habe mir nur den Fötus eines Mädchens geklaut. Aber macht das denn so einen großen Unterschied?” Er stupste Hieis Wange mit seiner Nase an.

“Kurama!” protestierte er, und versuchte, ein leichtes Lächeln zu verstecken.

“Glaub’ nicht, dass ich Dich heute Abend nach Hause gehen lasse! Dazu bist Du mir zu hübsch.”

Das war zuviel! Hiei fiel seitwärts von der Fensterbank. Kurama fing ihn auf und schaute von oben auf das errötete Gesicht.

“Und?”

“Vielleicht,” gab Hiei zu. Das war so ziemlich das Nächste an einer Liebeserklärung, an das Hiei herankommen würde. Kurama wusste das natürlich. Er lachte verschmitzt und zog Hiei auf sein Bett. Hiei wurde heiß und kalt: Das war so aber nicht geplant gewesen! Er versuchte über die Matratze davon zum Fenster zu krabbeln, bloß weg von dem hübschen, besitzergreifenden Fuchs. Aber der hielt ihn fest.

“Baka! Lass mich los. Ich hab’ gelogen. Ich liebe dich gar nicht!”

“Warum wartest du nicht ab und sagst mir das, wenn ich mit dir fertig bin!”

“Du bist so ein – Hey! Finger weg von meinem Gürtel!”

“Uups, zu spät.”

“Lass los! Hentai!”

“Ich weiß, ich weiß. Leider bist du viel zu anziehend… oder ausziehend…” Kurama lachte.

“Kitsune!!!”

 

 

 

Worterklärung:

 

Hai – Ja

Kitsune – Fuchs

Kitsune no baka – Dummer Fuchs.

Hentai – Jemand, der nur das eine denkt…